Als wir in Corrientes den Fluss Paran auf einer riesigen Brücke überqueren, ist es wieder da: das Gefühl, etwas Tolles zu entdecken. Und tatsächlich entdecken wir in den zwei folgenden Tagen die Provinzhauptstadt Resistencia auf eine wundersame Weise.
Zunächst kommen wir uns vor, als hätte jemand einen Wettbewerb ausgerufen: wer hat das skurrilste Fahrzeug? Da fahren plötzlich die verschiedensten Pferde-Ein-Achser neben Enten-Drei-Achsern, Pferde weiden entspannt auf dem mittleren Grünstreifen der Hauptstraße und die Hunde - viele Hunde! - halten dort eine Siesta ab. Jede Familie scheint hier einen Laden zu betreiben und wir tauchen langsam aber sicher ab in eine Welt, die ganz eigen, aber vollkommen einfach auf irgendeine wundersame Weise funktioniert.
Wir genießen einfach nur das Dasein und nach zwei Tagen angenehmen Stadtlebens fahren wir weiter in den Nationalpark Chaco. Den erreichen wir dann auch irgendwann, spätnachts, im Dunkeln, nach 35 Kilometern ur-staubiger Seiten-Straßen-Schotter-Piste. Ich hatte wohl vor 80 Kilometern eine Abzweigung verpasst… kein Kommentar!
Aber wie als Wiedergutmachung sind wir dann zwei Tage völlig alleine auf dem wunderschönen Campingplatz des Nationalparks. Unter Eukalyptusbäumen beobachten wir Tucane und ja, auch hier, genießen wir es einfach nur - was sollte man an so einem schönen Platz auch anderes machen? Am dritten Tag kommt dann eine argentinische Familie auf den Platz. Wir sitzen abends am Lagerfeuer, als uns der Familienchef erklärt, er habe zu viel gegrillt und uns kurzerhand eine „kleine“ Portion Rippchen und Würste (etwa ein halbes Kilogramm!) an unser Lagerfeuer bringt. Argentinische Gastfreundschaft – einfach phantastisch! Und damit noch lange nicht genug. Am nächsten Tag geht es weiter nach Salta. Aber wir kommen nach einem kurzen Stop in einem Zoo nur 150 Kilometer weit. Dann stehen wir in einer Blockade, die dummerweise gerade fünf Minuten vorher errichtet wurde und erst in drei Stunden aufgelöst werden soll. Die argentinischen Bauern protestieren damit seit über 90 Tagen gegen die Zollpolitik der Regierung, die höhere Exportzölle auf landwirtschaftliche Produkte erheben will.
Nun, da stehen wir also von 15 bis 18 Uhr unter sengender Sonne und können uns vorstellen, wie sich ein Promi fühlen muss – wir stehen im Mittelpunkt des Interesses und irgendwann spricht uns eine Frau an, die ebenfalls im Stau steht. Klar das Übliche, woher wir kommen, was wir machen und warum auf unserem Auto Viento Sur steht. So vergehen keine zehn Minuten Unterhaltung und wir sind zu einem Asado (Grillabend) auf dem Wochenendsitz eines Großgrundbesitzers eingeladen – Hallo! Aber so etwas gibt es hier wenigstens noch (!), oder wer hat denn bei uns unlängst auf dem Münsterplatz mal ein paar Touristen zu sich nach Hause zu einem Grillabend eingeladen?
Nach einem wirklich genialen und superherzlichen Abend auf besagter Estancia, fernab der Hauptstraße irgendwo im traumhaften Nichts-Drum-Herum, versuchen wir unser Glück wieder und fahren weiter nach Salta. Das erreichen wir auch spätabends, nur den Campingplatz laut Koordinaten, den kreisten wir für sage und schreibe eine Stunde, Meter um Meter langsam ein – das Hinweisschild ist von der Straße aus nicht sichtbar und langsam kommt bei mir der Verdacht auf, dass das Schild zum Nationalpark Chaco auch nicht von der Straße aus sichtbar war. Anke ist da anderer Meinung – egal, der Weg ist ja bekanntlich das Ziel.
Und dann stehen wir zum ersten Mal auf einem durchaus belebten Campingplatz. Hier sind so ziemlich alle Nationen, alle nur erdenklichen Camper-Varianten und vor allem total lustige und vorwiegend interessante Charaktere vertreten. Wir sind genau richtig angekommen, um das größte Gaucho-Fest der Stadt zu genießen und ab dem zweiten Tag sind wir nun jeden Abend irgendwo zum Grillen eingeladen. Dabei erhalten wir viele wichtige Tipps für den weiteren Verlauf unserer Reise, wie zum Beispiel:
„Auf 4.000 Meter Höhe hat es nachts meist -15 Grad.“ Anke opfert sofort eine Ikea-Fleece-Decke und näht Paco einen Hundepullover für kalte Höhennächte. Nee, auch kein Kommentar dazu!
„Ab 3.500 Meter Höhe wird eure Diesel-Standheizung trotz Höhenanpassung versagen.“ Wir kaufen sofort einen kleinen Elektrogenerator, um unseren winzigen, aber durchaus für das Fahrzeug angemessenen, Heizlüfter zu betreiben.
Nach allgemeiner, einstimmig abwertender Meinung zu Pacos „Schlafanzug“ (Hauswirtschaftslehre und Sport waren nicht Ankes Lieblingsfächer – damals, in der Schule – seither auch nicht ;-) ) entschließt sich meine durchaus fürsorgliche Frau, einen fertigen „Hunde-Thermo-Anzug“ im Zoohandel zu kaufen – Autsch!!!
So kommt Paco also an einen quietsche-roten Nikolaus-Anzug für kalte Höhentage! Sicherlich leidet der Hund genauso wie ich, aber Anke meint: Hauptsache, der alte Mann hat es warm…
Und unwillkürlich stelle ich mir die Frage: Muss ich denn sowas auch eines Tages ertragen???
Egal – hier zählt erst einmal das hier und jetzt. Und daher machen wir uns nun auf, das erste Mal die Anden um Salta zu erkunden. Mal sehen was die Höhenluft sonst noch so mit sich bringt…
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