Der letzte Bericht ist lange her. Neun Wochen sind seither vergangen. So schnell vergangen, wie keine zwei Monate jemals vorher. Fast kommt es einem vor, als wären die Wochen nur wie der einzelne Flügelschlag eines Condors verflogen. Und trotz des einzelnen Flügelschlages sind wir weit gekommen. Über Cafayate und Salta, durch die Atacama-Wüste bis nach Córdoba. Um es vorweg zu nehmen, wir haben die neue Matratze tatsächlich in Salta bekommen. Und wir haben Andi und Sandra aus Mendoza wieder getroffen und sind mit ihnen sogar fünf Wochen gemeinsam unterwegs gewesen. Aber vielleicht ist es besser, alles in einer chronologischen Reihenfolge zu erzählen.
Zunächst einmal hatte wir auf unserem Weg nach Salta den Talampaya-Nationalpark und das Valle de la Luna besucht. Die Felsformationen mit ihren prähistorischen Wandmalereien inmitten einer grandiosen Wüstenlandschaft wurden 2000 zum UN-Weltkulturerbe erklärt. Und wieder einmal folgten wir den Spuren des Condors, der uns hier unablässig mit seinem majestätischen Flug begleitete. Er ist zu Recht der König der Aden und sein Auftreten steht für uns dem des Löwen in Afrika oder dem des Tigers in Indien in nichts nach.
Dann ging es weiter Richtung Cafayate, als uns plötzlich ein bekanntes und fast schon vergessenes (verdrängtes?) Geräusch von der Hinterachse aus unserem Reisetrott herausriss: die hintere, rechte Bremse kratzte diesmal hart auf der Bremstrommel und wir verloren Bremsflüssigkeit. Keine tolle Sache zwischen Nichts und Nirgendwo, 250 km von Cafayate entfernt… Nach sehr bremsensparendem Fahren erreichten wir dann irgendwie Cafayate, wo wir zum Glück die Bremsen provisorisch reparieren lassen konnten und die Familie Schneider wiedertrafen, die hier Ihren Nachwuchs zu Welt bringen wollte. Als dann kurz darauf Andi und Sandra auch noch auf dem Campingplatz auftauchten, war die „Mendoza-Bande“ wieder komplett. Überflüssig zu erwähnen, dass wir viel Spaß hatten und viele, große Stücke argentinisches Rinderfilet auf dem Grill ihr wohlverdientes „Ende“ fanden.
Als dann Andi und Sandra erzählten, dass sie, wie wir, weiter über Salta nach San Pedro de Atacama in Chile fahren wollten, war schnell abgemacht, dass wir diese Etappe gemeinsam fahren. Und da Schneiders auch die nächsten Wochen noch in Cafayate sein wollten, zumindest bis Noah (der Nachwuchs) das Licht der Welt erblickt und reisebereit ist, beschlossen wir, auf dem Rückweg nochmal vorbei zu schauen.
Und als wir vor der Werkstatt auf unsere Bremsen warteten, hielt plötzlich ein alter Bulli (für die Nichtwissenden: ein alter VW-Bus) und wir lernten Dandi und Esther kennen. Irgendwann vor über 30 Jahren hatte der deutsche Schiffsmechaniker seinen Frachter verpasst, weil der dieses eine Mal pünktlich abfuhr. Seitdem lebt er in Buenos Aires und betreibt eine private Porsche-Werkstatt. Und er kennt natürlich jede Menge Leute… und so stellte er einen Kontakt zu José, dem Kommandanten der Gendarmería Nacional (ähnlich unserer Bundespolizei) in Salta her. Leider konnte er die dringendst benötigten Reifen auch nicht vermitteln, obwohl die Gendarmería Nacional in Argentinien die einzige Institution in Südamerika ist, die unsere Reifen auf ihren Ivecos benutzt. Stattdessen sorgte José dafür, dass unsere Bremsen fachgerecht wiederherstellt wurden. Zudem bekamen wir von unserem neuen argentinischen Freund ein Empfehlungsschreiben, mit dem wir während unseres Aufenthaltes wohl keinerlei unerwünschte Probleme mehr haben dürften. Muchas gracias José! Zum Glück hatten wir bisher in ganz Südamerika keinerlei Streitigkeiten über fiktive „Strafen“ (= Korruption) mit der Polizei, was wohl leider vielen anderen Reisenden nicht erspart geblieben ist.
Nachdem wir also eine ungewöhnliche Nacht in der Werkstatt der Gendarmería in Salta verbracht hatten, packten wir unsere Sachen und fuhren mit Andi und Sandra und unseren nun wieder funktionierenden Bremsen nach Cachi und weiter über unseren höchsten Pass der Reise, den Abra del Acay, mit sage und schreibe 4.971 Metern unser Höhenrekord.
An dieser Stelle sei einmal der SCAM erwähnt, der uns (bis auf die „Kleinigkeiten“, die hier bekanntlich am meisten Zeit kosten…) niemals im Stich gelassen hat. Selbst bei 4.971 Meter schnurrte er immer noch ohne Murren um die Kurven und auch bei – 20 Grad brauchte er hier am Morgen nur einmal eine fünffache Vorheizphase, bevor er in einer Qualm-Wolke, die einem Panzer würdig gewesen wäre, zum Leben erwachte. Unnötig zu erwähnen, dass Andis Ford F-350 mit einem 7,3 Liter Dieselmotor unseren 2,8 Liter Dieselchen um „Wolken“ hinter sich ließ, was ethisch zwar nicht korrekt, aber technisch durchaus verständlich ist. ;-)
Nach diesem Pass und einer durchaus holprigen und mühsamen Überquerung des Salar de Cachiri erreichten wir den Paso de Jama, überquerten die chilenische Grenze (wieder einmal völlig unkompliziert) und fuhren durch eine grandiose Wüsten-Landschaft hinab zu unserem vorletzten wirklichen Reiseziel, der Atacama-Wüste.
San Pedro de Atacama liegt als wichtigster Fremdenverkehrsort mitten drin und fehlt vermutlich in keinem Nordchile-Reiseplan. Das wundert eigentlich auch Niemanden, der einmal dort war. Einzigartig ist die Mischung aus einem Potpourri der Länder Südamerikas, einer alternativen Hippie-Kommune und dem Hauch der Wüste, dem Flair von Marrakesch. Kommerz und Tourismus ist das Wesen der Stadt, aber dennoch gibt es dort auch eine Atmosphäre abseits der perfekten Tourenplanung, die einem eine Gänsehaut des Respekts über den Rücken jagen kann, wenn man sich auf die Natur einlässt. Wir haben jedenfalls die Ausflüge zum Valle Arco Iris (Regenbogental), der Laguna Chaxa mit Ihren Flamingo-Kolonien und den Geysiren Tatio auf uns wirken lassen und die Gänsehaut gespürt – kann allerdings auch an den Nachttemperaturen gelegen haben, die wie gesagt, bis – 20 Grad runtergingen.
Und damit sollte für heute erst einmal genug berichtet sein, denn acht Wochen können unmöglich in einem Bericht „abgewickelt“ werden. Der zweite Teil von „Auf den Spuren des Condors“ wird auch sicher nicht wieder so lange auf sich warten lassen. Versprochen!
… denn sonst wären wir ja beinahe schon wieder zu Hause … . Und davon abgesehen, müssen wir auch noch ein wenig von unseren zwei „Alpen-Indianern“ erzählen, denn wir hätten nie gedacht, mit Jemandem für länger als zwei Wochen so harmonisch (ohne Kumbaja-My-Lord ;-) ) gemeinsam reisen zu können.
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