378 Tage "On The Road"

09.06.09 21:59

Wir können es kaum glauben, aber es bleibt eine Tatsache: wir sind nun schon über ein Jahr mit unserem Auto unterwegs. Klar gab es in der Zeit viel zu sehen und die Eindrücke rasten nur so dahin, aber so schnell verging bisher noch kein Jahr in unserem Leben! Langsam müssen wir uns schon wieder um die Rückkehr kümmern, denn die Flüge und die Schiffspassage sollten ein halbes Jahr vorab gebucht werden. Aber vorher gibt’s noch Einiges aus dem argentinischen Seengebiet und den vergangen vier Wochen zu erzählen.

Lenas

PralinenDa wäre zum Einen erstmal die Tatsache, dass wir die lebenden Beispiele dafür sind, das Schokolade wirklich dick macht. Passionierte Schokoladenesser wie Anke leugneten dies bisher standhaft, aber seitdem wir in San Carlos de Bariloche die handgemachten Pralinen zuerst von „La Turista“ und dann die unfassbaren, einzigartigen und unerreichten Exemplare von „Mamuschka“ probierten (und über mehrere Einkäufe verteilt auch drei Kilo erwarben…) kann selbst sie diese Tatsache nicht mehr länger leugnen. San Carlos de Bariloche ist nämlich dank seiner vielen schweizer und deutschen Auswanderer quasi die Hauptstadt der Schokolade in Südamerika. An jeder Ecke befinden sich wenigstens zwei Geschäfte, die Pralinen in jeder nur vorstellbaren Variation anbieten. Und was soll man da dann tun? Der Geist ist willig, aber das Fleisch irgendwie schon wieder schwach… und dann kosten die verdammten kleinen Teufel auch nur ca. 1,50 Euro pro 100 Gramm! So eine Schweinerei – da wird man geradezu gezwungen, zuzuschlagen! Und genau das tun dann auch die Pfunde, die sich in nur zwei Wochen als kleine Speckpolster im sogenannten „Michelin-Gürtel“ oberhalb der Hüfte gebildet haben. Aber andererseits lebt man ja nur einmal und wie ich immer zu sagen pflege: ab und zu muss man sich auch mal was gönnen! :-)

Überhaupt haben wir uns die Zeit um Bariloche herum auch mal gegönnt. Der herrliche Spätsommer und die traumhaften Seen waren für uns und die beiden Vierbeiner einfach nur schön. Chica kann mittlerweile schwimmen wie ein kleiner Seehund und hat alle anfängliche Wasserscheu komplett verloren. Von San Carlos de Bariloche ging es dann über Traful nach San Martín de los Andes wo wir erst mal eine Wetterpause einlegten. Nach 48 Stunden Dauerregen, 92 % Luftfeuchtigkeit im SCAM und einer Außentemperatur von gerade mal 0 Grad wussten wir morgens nicht mehr so richtig, wo wir waren. Der Innenraum ähnelte eher einer prähistorischen Tropfsteinhöhle (wegen dem Kondenswasser), die von einer Horde Nomaden mit ihren Viechern bewohnt wurde (wegen dem Duft der nassen Hunde) und die Erdstraßen glichen eher einer Sumpflandschaft durch die eine Herde Brontosaurier gezogen war. Als am dritten Tag der Wettergott ein Einsehen hatte - oder den Gestank nicht länger ertrug - flüchteten wir bei den ersten Sonnenstrahlen und erreichten über Junin de los Andes und Alumine die nächste größere Stadt Chos Mahal.

Tromen

ApfelringeBis hierher hat sich die Anden-Kette in nördlicher Richtung schon wieder so aufgebaut, dass die ersten Vier- und Fünftausender über uns thronten und das üppige Grün Patagoniens sich wieder in das sandig-felsige Rotbraun der Pampas- und Wüstenregion verwandelt hatte. Und auch wenn wir vorher schon den Vulkan Lanin besucht und ausführlich bestaunt haben, so konnten wir nicht anders als ein paar Tage am Fuße des Vulkans Tromen die Sonne und die außerhalb der Saison unberührte Natur für ein paar Tage zu genießen. Und bei plötzlich 20 % Luftfeuchtigkeit wurde dann erst mal alles (!) getrocknet, was nicht mit Schraubenschlüssel und Schweißbrenner aus dem Auto entfernt werden musste. Und wo wir doch gerade beim Trocken sind: Anke verwandelte kurzerhand unseren Wohnraum in eine Trockenkammer für ihre Apfelringe.

Da jubelt der Hausmann vor Begeisterung und eines Tages wird vielleicht ein Video bei YouTube zu sehen sein, wo ein verwirrter Mann mit nassen Füßen und fettigen Haaren durch ein Auto torkelt und sich an einem Apfelring stranguliert. (Nasse Füße nachdem ich versehentlich morgens in den Hunde-Trinknapf gestiegen bin und fettige Haare, weil ich in meinem Schreck, die neben dem Bett - in vor Anschlägen fremder Bestien gesicherter Höhe – aufgehängten Salamis mit dem Kopf abgeräumt habe und dann vor Wut schnaubend in der Wäscheleine mit Apfelringen hängen geblieben bin). Da sag ich doch nur: einen wunderschönen guten Morgen! Warum hat mich das dann irgendwie wieder an die Montage erinnert, die sich einmal vor langer Zeit ähnlich anfühlten, als Reports und Abschlüsse um 8:30 Uhr immer noch nicht fertig auf dem Schreibtisch lagen…

RebenNachdem also die Füße wieder trocken, die Haare gewaschen und die Apfelringe – ENDLICH – trocken waren ging es weiter hinauf bis Mendoza. Und hier sind wir nun in der Hauptregion der argentinischen Weinproduktion. Wir sind gerade noch rechtzeitig angekommen, um das wundervolle Herbstrot und-gold an den Reben hängen zu sehen. Zweidrittel der argentinischen Weine stammen aus dieser gleichnamigen Provinz. Hier ist das Klima und der Boden ideal für den Wein und man findet jede Menge guter Tröpfchen, die unter 3 Euro liegen. Also nutzen wir die Gelegenheit und machen wieder erstmal eine kleine Pause vom Reisen. Wir haben inmitten des riesigen Parks von Mendoza einen ruhigen Campingplatz gefunden auf dem man es locker mal zwei Wochen aushalten kann.

PeterUnd wir haben ein vegetarisches Restaurant gefunden das mit seinem fantastischen Buffetangebot sogar mich überzeugt hat. Als eingefleischter Fleischfresser in Argentinien! Man soll´s einfach nicht für möglich halten, aber so ist es :-) Und damit nicht genug hat sogar Paco die Mohrrüben und Chica die Äpfel als Knochenersatz entdeckt. Was soll nur aus uns werden?

Das lassen wir nun einfach mal so im Raum stehen – schließlich kann sich bis zu unserer Rückkehr ja doch noch einiges wieder rückbilden. Sowohl der Bauchansatz als auch die vegetarischen Essgewohnheiten oder vielleicht löst ja das Eine auch das Andere…

Mendoza wird uns außerdem immer bleibend in Erinnerung sein, weil wir hier schon wieder zwei winzige, im Pappkarton ausgesetzte Katzenbabys vor dem sicheren Tod bewahrt haben. KatzenEines Morgens japsten die Kleinen (maximal 3 Wochen alt – Augen vielleicht gerade mal 2 Tage offen…) neben ihrem Karton zwischen den Büschen fürchterlich vor Hunger und Durst und Chica entdeckte die zwei kleinen Wollknäule natürlich sofort. Also haben wir sie kurzerhand auf den Campingplatz geschmuggelt, wo wir sie die nächsten Tage noch aufpäppeln können und unsere zwei schweizer Nachbarn werden sich sicherlich auch die nächsten zwei Wochen um sie kümmern. Dann dürften die beiden Zwerge groß genug sein, um an dem bis dahin hoffentlich gefundenen Adoptivplatz ein schönes Leben zu führen.

Tja und eigentlich wollten wir nur ein paar Tage hier in Mendoza bleiben – daraus werden nun drei Wochen… Aber sowohl die Stadt, das Wetter, der zentrale im Park gelegene Campingplatz und vor allem unsere nette Nachbarschaft sind einfach zu erholsam. Und noch haben wir ja schließlich die Zeit, uns auch mal was zu gönnen, oder?